getting dressed for the future

Guten Morgen Freunde der konsequenten Schritte.

Ich habe mir gerade Gedanken darüber gemacht, was Innovation bedeutet und wie wir tatsächlich Neues hinbekommen. Mit einem wunderbaren Kollegen, Eric Poettschacher von Shapeshifters (wie gut der Name hier passt), habe ich vor ein paar Wochen ein Angebot für eine Firma gemacht, die sich genau mit diesem Thema beschäftigten und dringend Innovationen „liefern“ müssen. Wie kann so etwas stattfinden?

In-Novation deutet darauf hin, dass entweder etwas irgendwo hinein muss, oder etwas von innen heraus passiert, damit Neues stattfinden oder sichtbar werden kann.

Meine nächste Frage war, was machen wir mit dem Alten? Wenn das Alte noch da ist, wo soll dann das Neue seinen Platz finden? Soviel zum Thema „Feng Shui und die Kunst des Entrümpelns“. Aber wie entrümpeln wir unsere Strukturen? Unsere Organisationen? Unser Hirn?

Und das ist letztendlich die wichtigste und ernsteste Frage. Denn bevor wir nicht mit unserem Gehirn, unserem Denken, unseren inneren Bildern anfangen, ist kein Raum für wirklich Neues, wird alles letztendlich Abklatsch des Alten bleiben. Das Bild, was mir in den Sinn kam, war unser tägliches Aus- und An- und wieder Ausziehen. Wie seltsam sähen wir aus, wenn wir unsere alten Klamotten nie ausziehen würden, sondern immer nur neue an? Kein Wunder, dass wir das Gefühl entwickeln, etwas sei utopisch und geht überhaupt nicht. Mit soviel altem Kram an uns dran, passt ja auch gar nichts anderes 🙂

Also wie schaffen wir das Ausziehen? Hier stehen wir vor einer großen Herausforderung. Erstens, und das sind wir ja fast schon gewöhnt, müssen wir uns über uns selbst klar werden. Wir müssen uns bewusst werden, was unsere alten Sachen sind, die wir noch anhaben. Hierfür sind Gespräche, Meditation, Therapie, Supervision, Aufstellungen, Spiele, Lesen etc. geeignete Methoden. Die Frage nach unserer Geschichte, unserer Familie, den Wohl- und Weh-nissen in unserem Leben. Alter Hut! Eben. Absetzen können wir ihn aber nur, wenn wir überhaupt wissen, dass wir ihn aufhaben. Das heißt, Sich auf den WEG machen, sich bewusst werden, dass wir da noch unpassende, zuviele, nicht mehr schöne, nicht mehr angemessene Kleider tragen. Das ist das wichtigste, um uns auf den Weg zur Innovation zu begeben.

Zweitens – und das ist meines Erachtens im Augenblick die grpße Herausforderung in unserer Gesellschaft, unseren Organisationen, unserem Land und auf dem gesamten Planeten – haben wir KOLLEKTIVE Kleider an. Hilarion Petzold spricht hier mit/nach Serge Moscovici von „kollektiven mentalen Repräsentationen“. Die soziale Theorie dahinter besagt, dass wir in den jeweiligen sozialen Welten in denen wir uns bewegen, Vorstellungen mit den dazugehörigen Menschen teilen und diese Vorstellungen als Repräsentationen in unseren Kollektiven abrufbar und „gespeichert“ sind. Fix sozusagen. Das sind unsere kollektiven Kleider.

Mal ausprobieren? Aufklärung, Führer, Kollaboration (ah – hier verändert sich schon was), Energiewende, Globalisierung… hier steigen bei jedem von uns innere Bilder auf, die wir mit je einem (Groß-)Teil unserer Landsleute teilen. Diese Kleider haben wir „an“. Und wissen es zum Teil gar nicht. Ich habe ein Buch im Regal stehen von Hartmut Radebold, einem Hochschullehrer und Arzt für Psychotherapeutische Medizin und Psychiatrie mit dem Titel „transgenerationale Weitergabe kriegsbelasteter Kindheiten“… Eine Studie über die dritte und vierte Generation nach dem zweiten Weltkrieg, mit der unglaublichen und erschreckenden erforschten Tatsache, dass nicht ausgesprochene Dinge, Bilder in den Träumen der späteren Generationen vorkommen, ohne sie je gesehen oder gehört zu haben! DAS sind alte Kleider, von denen wir nichts wissen! Und dass uns sowas planetar, kollektiv, transgenerational beeinflusst, steht dann wohl ausser Frage.

So. Nun ist kollektives Gewahrwerden angesagt. Und das funktioniert nur, über Austausch, gemeinsame Erfahrungen innerhalb unserer Organisiertheiten. Gewahrwerden über unserer kollektive Geschichte, von der Wiege der Menschheit, bis ins Jetzt. Wie weit wirkt die Industrialisierung und ihre mentalen Repräsentationen von Abläufen, Prozessgestaltung, Menschenbild in unser Bildungssystem, unsere Arbeitsprozesse, unsere Changeprozesse hinein? Was macht eine Erfahrung wie das plötzliche Ende der Weimarer Republik mit unserem Glauben an gute Zukünfte, was hat der zweite Weltkrieg mit der German Angst zu tun?

Also interpretiere ich das Märchen „des Kaisers neue Kleider“ neu. Es ist nicht nur der nackte Kaiser der Depp. Das Publikum ist es genauso, alle voller alter Kleider, der Kaiser ist wenigstens schon nackt. Das ist die Voraussetzung, um überhaupt innovativ gestalten zu können. Das Kind ist die einzig wache Person im Märchen, selbst die Schneider, die die Situation der Menschen und des Kaisers ausnutzen, sind in ihren „Kleidern“ gefangen.

Das heisst, wir müssen kollektiv „nackt“ werden, offen, wach, uns unserer kollektiven Geschichte, unseres gewordenen „Wir“-Seins bewusst werden, bevor kollektive, soziale Innovation stattfinden kann. Das heißt zum Beispiel gemeinsame Feldrecherche ohne vorgefertigte Lösungen, partizipative Prozesse gemeinsamen Annäherns an kollektive Ist-Zustände (feststellen, was wir überhaupt anhaben!) – bevor wir unpassende halbneue Zustände generieren, die uns davor bewahren uns gegenseitig in unserer Verletzlichkeit und Nacktheit zu sehen.

As always. Be aware, share your thoughts, we are one of a kind. Niemand gehört nicht dazu. Was haltet ihr davon?

Let your light shine!

Katrin